Um 4 Uhr klingelt mein Wecker. Wau ist das dunkel! Der Himmel ist dunkel grau und das Meer ist ganz schwarz. Ich starte meinen Kartenplotter und auch hier im Nachtmodus erscheint das Wasser schwarz. Im Tagmodus ist das Wasser immer strahlend blau. Ganz schön unheimlich....
Ich wähle die 192.
Die nun folgende Geschichte ist wahr:
Ich wähle die 192. Am anderen Ende meldet sich die Polizeizentrale in Split. Ich erkläre mein Anliegen. Sie verbinden mich zur Polizeistation im Ort Vis. Ich meinte, ich würde in 20 Minuten auslaufen, ob ich ausklarieren müsse. Ja um Gottes willen auf jeden Fall, Komiza habe keine eigene Polizeistation aber es würde sofort jemand kommen.
Ich warte im Dunkeln mit meinen ganzen Papieren auf der Hafenmole. Nach 45 Minuten fährt ein Polizeiauto vor. Den beiden Polizisten will ich meine Papiere zeigen, als sie mir stockgenervt zu verstehen geben, dass ich mit dem Boot zum Zollhäuschen kommen müsse.
Ich frag noch mal nach, weil es ist die selbe Mole nur 50 Meter weiter. Dazu muss ich ja ab- und gleich wieder anlegen. Außerdem bin ich alleine, es ist stock dunkel und es hat Seitenwind.
Nix da, sie setzen sich in Ihr Zollhäuschen und warten. Ich schwitze und lege ab und wieder an.
Im Zollhäuschen herrscht super Stimmung. Es werden zig Zettel ausgefüllt und abgestempelt. Sie scannen meinen Ausweis, rufen irgendwo an, geben meine Daten durch und warten ewig auf eine Antwort. Das Ganze dauert sicher 20 Minuten.
Viel später als geplant komme ich endlich los. Es dämmert schon und entgegen der Vorhersage ist es ziemlich bewölkt. Nach ca 1 Stunde höre ich ein lautes Donnern. Zuerst denke ich irgendwas sei mit dem Boot nicht in Ordnung. Als es gleich noch mal donnert merke ich, dass es ein Gewitter ist. Oweia. Noch habe ich Netz. Unter blitzortung.org checke ich die Lage. Südlich und nördlich von mir riesen Gewitterzonen. Mit dem Pfeil habe ich die Insel Vis markiert, die auf der Grafik nicht dargestellt ist. Sehe gerade, dass der mühsam platzierte Pfeil nicht angezeigt wird. Es gibt 3 Gewitterzentren. Vis ist genau zwischen den beiden Oberen gelegen. Mir wird es mulmig. Um mich rum wird es immer schwärzer. Ich überlege wieder umzudrehen.
Aber: Dann müßte ich wieder einklarieren! Dazu die 192 wählen etc. Ich glaube die würden mich direkt in ihr Zollhäuschen einsperren. Die Angst vor den beiden Polizisten ist größer, ich fahre weiter. Mein Handy und mein Handfunkgerät lege ich in den Backofen. Soll man bei Gewitter so machen, habe ich aus meinen Weltumseglerbüchern gelernt. Faradayscher Käfig usw.
Ich mache den Motor an und fahre Vollgas. Da sind 7,5kn, schlappe 11km/h. Unten sieht man den weiteren Verlauf der Gewitterzonen. Ich werde richtig in die Zange genommen. Hinter mir wird es immer dunkler und es donnert die ganze Zeit. Blitze sehe ich aber keine. Der schwarze Balken am Horizont ist kein Land sondern die Gewitterfront.
Irgendwann habe ich kein Netz mehr, um mich rum schwarzer Himmel und nur Wasser. Mir gings schon mal besser.
Aber plötzlich wird es vor mir heller. Ich sehe einzelne blauer Punkte am Himmel. Meine Stimmung steigt.
Ich hole mein Angelequipment. Ludwig und ich angeln in jedem Urlaub seit ca 12 Jahren. In Schweden, auf Island, in Italien, in Kroatien..... aber wir haben noch nie einen ordentlichen Fisch gefangen. Dieses Jahr habe ich nochmal aufgerüstet und mir geschworen, den ganzen Krempel zu versenken, sollten wir dieses Jahr wieder nichts fangen.
Ich bin total alleine, kein Land in Sicht, kein Netz und kein Boot zu sehen. Als ich aber auf meinen Kartenplotter schaue, sind um mich rum lauter Boote. Diese werden durch AIS auf dem Plotter als Dreieck-Symbole angezeigt.
AIS (= Automatic Identification System) ist ein System, welches bestimmte Daten der einzelnen Schiffe durch Funk untereinander austauscht. Dabei werden Name, Schiffsdaten, Position, Geschwindigkeit und Kurs des jeweiligen Bootes anzeigt. Seit 2004 ist eine AIS Anlage in der Berufsschiffahrt verpflichtend, dadurch wurde die Sicherheit auf See deutlich erhöht. Freizeitschiffe können, aber müssen keine AIS Anlage an Bord haben.
AIS ist aber echt sinnvoll. Man kann als Technikfreak damit toll rumspielen, aber auch einfach nur sicherheitsrelevante Informationen abrufen.
Auf dem Foto unten sieht man die Star als schwarzes Dreieck. Alle anderen Schiffe sind als helles Dreieck dargestellt. Unten rechts sieht man den Maßstab. Hier 10 sm, das sind ca 16km. Klar, dass ich daher kein einziges Boot sehen kann, obwohl auf dem Plotter alles voll mit Booten zu sein scheint. Man sieht aber auch, dass weit und breit kein Land ist.
Darüberhinaus sieht man oben noch die SOG (= speed over ground), also meine Geschwindigkeit über Grund in Knoten, mein COG (= cours over ground), also meine Fahrtrichtung. Die POS = Position wo ich gerade bin, die Tiefe unter mir und die Uhrzeit.
Was kann man also mit den AIS Daten anfangen?
Man sieht bereits Stunden bevor man ein Schiff in Realität sehen würde das Boot auf einen zukommen und kann entsprechend reagieren, um einer möglichen Kollision vorzubeugen. Ich finde meine Segelyacht riesig, aber im internationalen Vergleich ist es eine echte Nussschale. Eine Kollision mit einem Frachter, der aufgrund seiner Masse keine kurzfristig Richtungswechsel vornehmen kann, würde für mich den Untergang bedeuten.
Auf den unten folgenden Plotteransichten sieht man einmal die Daten für die Fähre Cruise Olympia und zum anderen die Daten für den Frachter MSC Marylena.
Interessant sind dabei CPA (= Closest Point of Approach) und TCPA (= Time to Closest Point of Approach). Also zu welchem Zeitpunkt man sich wo am nähesten sein wird.
Die Fähre war für mich mit 1,44nm (also ca. 2,4km) kein Problem. Aber der Frachter wurde mir zeitweise mit 0,12nm, also 190 Metern angegeben. Das war mir doch zu unheimlich, also reduzierte ich meine Geschwindigkeit deutlich.
Im Internet kann man übrigens unter Marinetraffic.com alle Boote, die AIS an Bord haben, weltweit verfolgen. Man muss nur den Namen des Schiffes eingeben. Manchmal muss man beim ersten Mal auch die spezielle MMSI Nummer des Schiffes eingeben (MMSI = Maritime Mobile Service Identity).
Die Star hat die MMSI Nr: 211636180. Dann kann man mich quasi stalken.
Unten sieht man dann wie Fähre (hinter mir) und Frachter (vor mir) tatsächlich an mir vorbei fahren.
Gute Stimmung macht hungrig, der Smutje musste ran:
Zur Ruhe kommt man auch in der Einsamkeit auf hoher See nicht. Für etwa 45 Minuten hatte ich einen Gast an Bord, dem ich Wasser anbot..
Dann machte sich die Angel bemerkbar. Juhu ein Biss! Aber es war nur Plastik. Erschreckenderweise war wieder so ein komisches Verpackungsnetz, welches ich schon 3x woanders gesehen hatte, dabei. Echt ätzend!
Leute Ihr müßt das Meer und Eure Umwelt sauber halten!!!!!!!!!!!!!
Endlich! Nach über 12 Stunden sehe ich Land, die Tremiti Inseln, Italien!!! Juhu!!!
Ich kann es kaum glauben, aber ich habe es geschafft, alleine meine kleine "Atlantiküberquerung". Die Tremiti Inseln sind der Wahnsinn, drei kleine Miniinseln, etwa 40 Kilometer vom Festland entfernt mitten in der Adria gelegen.
Hier herrscht totale Ruhe, ich bin fast das einzige Segelboot, nicht wie in Kroatien, wo so viele CharterCrews unterwegs sind. Leider gibt es keinen richtigen Hafen, nur eine kleine Mole an der bereits 2 Boote liegen. Daher mache ich an einer der Bojen fest. Normalerweise würde nun der Ludwig das Beiboot mit dem Außenbordmotor, der fast 30 kg wiegt, klar machen, aber ich muss selber ran. Einer der Nachteile, wenn man alleine unterwegs ist. Aber alles klappt und ich kann zur Insel San Nicola übersetzen.
Auf der Insel ist nichts los, totale Ruhe, ein paar wenige Einheimische und im einzigen Lokal bin ich alleine, bekomme aber beste italienische Pasta und genieße den Blick auf mein Boot. Es ist der Wahnsinn!!!!!!!!!
Jetzt kommen meine beiden Lieblingsbilder, da man im Hintergrund mein Boot sieht wie unglaublich es da liegt.
Zurück gehts mit dem Außenborder, ohne Ludwig, aber mit einem unglaublichen Blick.