Wetter wieder so durchwachsen. Nicht so wie man das von einem Sommerurlaub erwarten würde. Im Windfinder war aber für den Tag Sonne angesagt und mit bis zu 20kn Wind aus Nord-West. Ideal um weiter nach Süden zu kommen. Ich beschloss an der Westküste von Keffalonia nach Süden zu segeln. Also Anker hoch und raus aus der Bucht. Als ich am Südkap von Lefaka war, kam eine solche Regenfront über mich hergedonnert, das war unglaublich. Autopilot an und unter Deck. Plötzlich war gar keine Sicht mehr da. Ich beschloss nicht nach Westen raus aufs offene Meer zu fahren, sondern hier im Inneren der Inselgruppe zu bleiben. Aber nach einer halben Stunde war der Spuk vorbei und die Sonne kam auch wieder raus. Also drehte ich wieder rum raus aufs offene Meer. Im Bereich Südkapp Lefkada und Nordkapp Keffalonia schimmerte das Wasser plötzlich knall türkis, so eine Wasserfarbe hatte ich noch nie gesehen. Vorallem war der Himmel bewölkt und trotzdem leuchtete das Wasser. Dahinter dann tief blaues Meer mit ganz vielen weißen Schaumkronen. Das sah aus wie das Ende der Welt oder wie eine Sandbank. Ich checkte die Karte wieder und wieder, aber da standen zwischen 50- und 200m Wassertiefe. Mein Echolot zeigte aber nur 9 Meter an. Vielleicht war die Erde ja doch eine Scheibe und hier war das Ende. Mir war irgendwie total unheimlich. Aber zum Umdrehen war ich zu neugierig. Plötzlich wurde alles noch mehr: Das Türkis intensiver, der Wind stärker und die Wellen höher und mir noch unheimlicher.
Und dann gings mit ganz viel Herzklopfen durch das türkisfarbene Wasser. Das war sowas von unheimlich und toll zugleich. Wahnsinn. Vorallem war ich ganz alleine, weit und breit kein anderes Boot. Nicht wie sonst in diesen überfüllten Anfängerbuchten. Danach kam zum Glück nicht das Ende der Welt und ein tiefer grosser Wasserfall nach unten. Sondern es ging weiter, allerdings mit noch mehr Wellen und Wind.
Wenn ich die Bilder so sehe, denke ich mir ich hätte noch viel mehr machen sollen. Das sieht ja echt mega aus. In Wirklichkeit war es natürlich noch besser. Aber in dem Moment dachte ich echt da stimmt was nicht, das ist ne Fatamorgana oder ich bin irgendwie auf Droge.
Inzwischen habe ich recherchiert. An der Südspitze Lefkadas, Porto Katsiki, gibt es Kalkauswaschungen im Gestein, die einen milchig-türkisen Farbton im Meerwasser erzeugen.
Nachdem ich das Ende der Welt überlebt hatte, ging es weiter Richtung Süden. Da war ich mir aber nicht mehr so sicher, ob ich das überleben würde. Der Wind wurde stärker und die Wellen höher. Das Boot krachte teilweise so hart in die Wellentäler, dass ich dachte, es würde zerbrechen. Der Wind blies mit ca 25 Knoten. In der Gegend um meinen Heimathafen Triest bläst die kleine Bora oft mit 35 oder mehr Knoten Wind, das habe ich nie als besonders schlimm empfunden. Aber da der Wind dort ablandig (also vom Land her weg) weht, kann sich kaum Welle aufbauen. Und die Wellen sind die, die einem Angst machen. Zumindest mir. Aber das ist auch nicht unbegründet, das einzige, was einem auf einem Boot wirklich gefährlich werden kann, sind brechende Wellen. Generell ist die Wellenhöhe abhängig von der Dauer des Windes, von der Stärke des Windes, von der Strecke des Windes und der Wassertiefe. Die Besonderheit hier ist, dass die Wassertiefe westlich von Kefallonia über 3000Meter beträgt und dann ganz schnell quasi auf 0 ansteigt. Westlich von Korsika ist das ähnlich und dort gibt es die höchsten Wellen im Mittelmeer. Ich glaube die Experten irren sich, die höchsten Wellen des Mittelmeeres sind hier bei mir! Auf jedenfall heute. Mit nettem Urlaubssegeln hat das hier nichts mehr zu tun. Mir ist unheinmlich (eigentlich schon die ganze Zeit). Wellen kann man (ich) nicht gut fotografieren, aber in meinem Gesichtsausdruck seht Ihr wie hoch die waren.
Plötzlich gibt es einen lauten Knall. Es dauert etwas bis ich realisiert habe was passiert ist. Aufgrund des enormen Segeldruckes ist der obere Relingdraht auf der Backbordseite (links) gebrochen. Auf den oberen Fotos sieht man auch den durchhängenden Draht.
Aber es kommt noch viel schlimmer:
Ich hatte seit einiger Zeit den Motor laufen, um die Batterien mit der Lichtmaschine aufzuladen. Da ich ja seit Tagen nicht mehr an Land in einer Marina war, um dort Strom aus der Steckdose zu bekommen und die Solarmodule wegen schlechten Wetters auch nicht genug Srom produzieren, muss man ab und zu den Motor mitlaufen lassen. Jedenfalls bemerkte ich irgendwann, dass der Motor aus war. Ich startete ihn erneut. Er lief 10 Sekunden dann ging er wieder aus. Meine Diagnose Kraftstoffproblem. Evtl Filter verstopft. Ich habe 2 Dieselfilter hintereinander geschaltet an Bord.
Ein Segelboot ohne funktionierenden Motor hat ein echt großes Problem. Zum einen kann man in einem Hafen oder einer Bucht nicht mehr anlegen. Das geht mit so einem großen Boot unter Segel in diesen engen Buchten nicht, zumindest nicht alleine. Zum andern kann man sich bei auflandigem Wind evtl nicht mehr von einer Küste wegbewegen und würde dann dort auf den Felsen zerschellen, das gleiche gilt bei absoluter Flaute. Wenn man nonstop um die Welt segelt, braucht man zB keinen Motor, da ist man ja immer weit draußen und ist weit weg vom Land. Wilfried Erdmann hatte bei seinen nonstop Weltumsegelungen aus Platz- und Gewichtsgründen nie einen Motor dabei.
Ich hatte also plötzlich ein echtes Problem. Mir war es die ganze Zeit ja schon irgendwie mulmig und unheimlich. Jetzt war ich kurz panisch. Also irgendwie zusammenreißen. Karte studieren, wo war ich? Wo war es sicher hin zu fahren unter diesen Umständen? Also ich beschloss umzudrehen, das war kürzer als weiter nach Süden um das Kap von Kefallonia und darüberhinaus kannte ich die Region hinter mir ja schon. Also wenden, Autopilot an und unter Deck Reservedieselfilter suchen. Zu dem Zeitpunkt waren die Wellen echt brutal, ungefähr wie Wilde Maus fahren. Zum Glück haben sich nur wenige gebrochen und dann wirklich nur sehr gering, aber wenn mich so eine erwischte, hat es mich schon sehr stark auf die Seite gedrückt. So und jetzt in der Wilden Maus Dieselfilter wechseln, mit Rettungsweste an, danach Leitungen entlüften und Motor starten. Nix. Nächsten Filter wechseln. Das mache ich 4x. Unter Deck herscht totales Chaos. Da ich mit so einem Wind und so einer Welle nicht gerechnet hatte, war auch nichts gescheit aufgeräumt oder befestigt. Alles fliegt durcheinander und liegt am Ende am Boden und dazwischen noch Dieselspritzer. Eine gute Gelegenheit, um seekrank zu werden.
Nach jedem Filterwechsek springt der Motor zwar an und läuft, aber nach ca 5 Sekunden geht er wieder aus. Also wahscheinich Kraftstoffpumpe oder Einspritzpumpe defekt. Was soll ich denn jetzt machen? Mayday funken? Wie geht das? Das hab ich noch nie gemacht. (Allerdings habe ich einen Funkschein). Zunächst segel ich aber erst mal wieder weiter zurück, nach 2 Stunden komme ich wieder durchs türkisfarbene Wasser und nach einer weiteren Stunde bin ich in der Abdeckung von Lafkada und somit werden Wind und Wellen endlich deutlich weniger.
Inzwischen ist es aber auch schon ca 18 Uhr, irgendwann wird es dunkel werden. Was tun? Ich muss die Küstenwache anfunken. Außer Mayday, das bedeutet unmittelbare Gefahr für Leib und Leben, gibt es noch PanPan, dies bedeutet Gefahr, aber nicht lebensbedrohlich. Also ich funke auf Kanal 16: "PanPan, PanPan, Radio Olympique, this ist Star, Call Sign:..., my positio is:.... I need help....". Keine Antwort. Ich versuche es noch einmal. Zwischendurch immer wieder draußen checken - ich bin ja mit Autopilot unterwegs und überall sind um mich rum schon wieder Inseln. Ich funke nochmal, dann versuche ich es noch mit meinem Reservehandfunkgerät, keine Antwort. Im Hafenhandbuch suche ich schließlich die Telefonnummer der Seenotleitstelle raus und versuche es mit dem Handy. Wunderbar da meldet sich jemand, aber es braucht 4 weitere Telefonate bis ich mit dem verbunden bin, der für meinen Bereich zuständig ist. Ich gebe noch mal meine GPS Positionsdaten durch und sie wollen jemanden schicken. Tatsächlich kommt 15 Minuten später ein RIB-Motorboot angerast. Mit seinen 200PS schleppt er mich die restlichen 2,5 sm nach Syvota in den Hafen, aber dieses Mal komme ich direkt an die Pier in erste Reihe. Direkt vor Sivotas Bakery Cafe. Die Sonne geht gerade unter. An Land begrüßt mich dann Thanasis, der mich abgeschleppt hat und dem das Cafe und der Motorbootverleih gehört. Er ist mein neuer Freund und kümmert sich rührend um mich. Gleich morgen soll ein Mechaniker kommen.
Der Wahnsinn: Eben noch in kleiner Seenot und nun im Synvota Cafe bei einem kalten Bier. Danach falle ich total erschöpft, aber erleichtert in meine Koje und schlafe nach gefühlt 2 Sekunden ein.